sabato 16 maggio 2020

Mein kleines Wunder M. Mandorlo in Fiore


Normalerweise gehe ich nicht vor 23 Uhr ins Bett. Am Abend des 29. April 2020 überkam mich ein angenehmes Gefühl von Müdigkeit, das mich schon um 20 Uhr in mein blumengemustertes und mit Kissen versehenes Nachtversteck trug. Nach einer kurzen Zeit mit dem Blick auf mein aktuelles Buch über den Einfluss des Mondes auf den Menstruationszyklus der Frau bemerkte ich etwas für mich ganz Außergewöhnliches. Ich legte das Buch zur Seite, um am Schrank einen Schal in meiner Lieblingsfarbe Bordeaux zu betrachten. Zum ersten Mal in meinem Leben fühlte sich mein ganzer Körper entspannt an, mein Bauch war zufrieden, meine Beine verspürten keinen Drang zur Bewegung, mein Kopf war leer. Es zählte nur die wunderschöne Farbe des Schals und der absolute Frieden in meiner Seele. Und so schlief ich in meinem bequemen Bett ein.
Kurz vor Mitternacht wachte ich mit dem gleichen Wohlgefühl auf, mit dem ich meinen Schlaf begonnen hatte, und ging hinüber ins Wohnzimmer, um meinem noch wachen Freund einen Kuss zu geben. In diesem Moment dachte ich ungewöhnlicherweise mal nicht daran, auf meinen Schreibtisch zu schauen, wo mein Bildschirm die Liveübertragung meiner trächtigen Lieblingsstute Taiga in ihrer Box zeigte. Wir hatten die Kamera vor Wochen schon montiert. Die ersten Minuten des 30. April 2020 sollten mit den folgenden Worten mein Leben verändern: „Taiga bewegt sich ziemlich viel“, sagte Emilio – der Bruder meines Freundes Andrea. Ich schaute auf die Kameraübertragung und sah ein Pferd, das etwas aufgewühlt im Kreis lief und sich ein bequemes Plätzchen zu suchen schien. Die Stute kratze einige Male im weichen Stroh und legte sich dann nieder. In diesem Moment wusste ich, dass es bald so weit sein könnte. Bald würde vielleicht eine kleine Pferdeseele das Licht des Lebens erblicken. Vielleicht, weil mich ein Jahr zuvor ein tragisches Schicksal dazu gebracht hatte, beim Gedanken an die Geburt eines Fohlens nichts anderes als Angst zu verspüren. Im April 2019 musste ich das Neugebohrene unserer Stute Shiva tot in der Box auffinden. Die Mutter versuchte ihr Baby wieder lebendig zu lecken. Vielleicht würde es ja wieder aufwachen. Der Anblick zerbrach mein Herz und lange wollte ich nicht glauben, dass ich eines Tages ein lebendiges und gesundes Fohlen in meinen Armen halten würde.
Nun lag meine Taiga in ihrer riesigen und weich ausgelegten Box. Ich hatte mich auf die nächste Couch gelegt und den Bildschirm zu mir gedreht, sodass ich die Stute bei jeder Bewegung inklusive Beep-Ton beobachten konnte. Plötzlich drehte sich das große braune Pferd auf die Seite und streckte all ihre Beine von ihrem Körper weg. Mein Herz wollte aus meiner Brust herausspringen, denn ich wusste, dass diese Stellung ein Zeichen für Wehen und Pressen war. Da ich in diesem Moment noch nicht für eine kurze Autofahrt zum Stall gekleidet war, rannte ich schnell zu meinem Schrank, um mir entsprechende Klamotten zu holen. Als ich zurückkam und auf den Bildschirm sah, blieb mir nichts anderes als in Tränen auszubrechen. Zwei kleine funkelnde Augen, ein kleines Näschen und ein Paar wackelnder Ohren sprangen mir in den Blick. Hinter meiner Stute Taiga lag eine lebendige kleine Kreatur, die mein Leben verändern sollte. Nach einem kurzen Freudenschrei kamen auch Andrea und Emilio in den Raum und bestaunten das Fohlen neben Taiga in der Box Ich zog mir recht hastig meine Kleidung an, um so schnell wie möglich in den Stall fahren zu können. Die Fahrt war sehr nervenerregend, dunkel und voller riesiger Wildschweine am Straßenrand. Ich konzentrierte mich nur darauf, weiterhin zu atmen, um entspannt auf Taiga und das Fohlen zu treffen. Mein Herz pochte wie verrückt. Ich konnte kaum fassen, welches Wunder ich mitbekommen hatte und dass ich diesen Moment miterleben durfte. Als ich nach zirka fünf Minuten am Stall ankam, atmete ich nochmals tief ein und ging dann in die Box zu meiner Stute. Auf dem Boden lag sie und das wohl schönste neugeborene Geschöpf, das ich je zuvor gesehen hatte. Mein kleines Fohlen atmete, wackelte mit den Ohren, versuchte zu kauen – es war alles in Ordnung. Und ich – mich überkam es wieder. Ich weinte in meine Hände hinein und konnte endlich sagen, dass es Mutter und Kind gut ging. Ich war überglücklich.